Zusammenfassung

Der Verfasser des Buchs ist kein Musiker oder Musikkritiker. Er ist ein Kulturanthropologe und Archaeologe. In seinem Buch verfolgt er, wie sich die musikalische Harmonie im Verlaufe der Geschichte ändert, wie imfolge der Wandlungen in der Sozialpsychologie ein System der Harmonie ein anderes ablöst. Solch ein Zugriff erlaubt dem Verfasser, die Formen der akademischen Musik im Vergleich zur leichten Muisk zu betrachten. Entgegen einer in der Sowjetkultur weit verbreiteten Meinung glaubt er, daß Jazz und Rock keine Antimusik sind, sondern natürliche Formen der Musik, die mit der gesamten Entwicklung der musikalischen Kultur verbunden und auf vielfältige Art in der musikalischen Tradition verwurzelt sind. In diesem Kontext stellt sich dann die Frage nach der weiteren Entwicklung der Musik.

Das Buch ist in zwanzig kleinen Kapiteln gegliedert. In den ersten wird der Gedanke vorgestellt, daß jede große Epoche (ein Zeitalter oder eine Generation) ihre eigene musikalische Sprache spricht und daß oftmals eine Generation unfähig ist, die Musik des vorhergegangenen Zeitalters (oder der vorhergegangene Generation), wie auch des folgenden, zu rezipieren, zu verfassen und anzueignen. Weiter folgt eine Übersicht der Epochen. Der Verfasser betrachtet Monophonie als die erste solche Etappe, wonach Organum, Ars Antiqua, Kontrapunkt, General-Baß und Funktionsharmonik folgen, weiter Harmonie der Romantiker und endlich Harmonie des XX. Jahrhunderts mit Atonalität, Zwölftonmusik, Aleato-rik, Konkreter Musik usw. In diesem Zusammenhang werden Neoklassizismus, sowie Erste und Zweite Avantgarde behandelt. Im Anschluss prognostiziert er die mögliche weitere Entwicklung der Harmonie.

Alle diese Etappen werden im Zusammenhang gesehen mit der Entwicklung der Sozialpsychologie der klassischen und mittelalterlichen Welt, der Kreuzzüge und der Renaissance, der Aufklärung, der bürgerlichen Revolutionen und des Napoleonischen Reiches, der technischen Leistungen des XIX. Jahrhunderts und der Weltkriege des XX. mit seinen totaltären Episoden und Zerfall der Imperien.

Für jeden dieser Etappen, mit ihrem Platz in der Weltgeschichte, findet der Verfasser einen Widerhall in der Gegenwart, eine Wiederholung von Hauptprinzipien und Verfahren — aber in der leichten Musik, in der Massenmusik der Jugend. Das ist mit der Wiederholung etlicher Formationen der Sozialpsychologie im spezifischen Milieu verbunden. So ist etwa für den Organum ein Widerhall im Hard Rock zu finden (Bourdon), für den Kontrapunkt im Jazz, für den General-Baß in der Musik der Beatles, für die funktionale Harmonie in der Pop-Musik und der Struktur von Knopfharmonika und Akkordeon, für die romantische Harmonie in der Jazz-Tonleiter usw. Sieben solcher Exkurse sind an die Kapiteln mit Beschreibungen der Harmonie der Romantiker und der entsprechenden Epochen der Sozialpsychologie abgeschlossen.

Der Kampf Stalins und Hitlers gegen die Harmonien der XX. Jahrhunderts wird erörtet, ebenso werden die lebendigen Komponenten und verderblichen Tendenzen der Rockmusik untersucht. Den Schluss bildet eine Polemik mit einem jungen Komponisten, Anhänger der Dodekaphonie und der Zweiten Avantgarde.