Nowgorod war durch seine Entstehung an der Kreuzung der wichtigs-ten Wasserstrassen (der Weg «von den Waragern zu den Griechen» und der Ostsee-Wolga-Weg) von Beginn an in der Einflußsphare des mittelalterlichen Ostseeraumes.

Prähanseatische Periode

Eine lange Entstehungs- und Entwicklungsperiode der kultur-histori-schen, politischen und Handelsbeziehungen zwischen Nowgorod und den europaischen Nord- und Weststaaten (Abendland) ging den Verhaltnissen zwischen Nowgorod und den Hansestadten voraus.

Die engen kultur-historische und Handelskontakte von Nowgorod im sudlichen Ostseeraum, die in der Vergangenheit dieser Regionen wurzeln, sind in den X—XI Jahrhunderten offensichtlich. Zu dieser Zeit waren auch schon Handels- und Politikbeziehungen mit den skandinavischen Landern vorhanden.

Im X. Jahrhundert wurden die engen Kontakte zwischen Nowgorod und der Insel Gotland aufgenommen, der schon jahrelang ein Handels-zentrum in der Ostseeregion war. Die Nowgoroder hatten einen eigenen Hof in Visby, die Kaufleute aus Gotland haben schon im Anfang des XII. Jahrhunderts auch einen eigenen Handelshof in Nowgorod eingerichtet. Dieser Handelshof ist in den Quellen als Gotischer Handelshof mit der Olafskirche bekannt.

In der zweiten Halfte des XII. Jahrhunderts traten im Ostseehandel die wesentlichen Anderungen ein, die durch die Erscheinung der deutschen Kaufleute im Ostseeraum hervorgerafen wurden.

Die Städt Lübeck, die direkte Beziehungen zu der Insel aufzunehmen begann, hat in der Jahrhundertsmitte eine wichtige Bedeutung im Handel neben der Insel Gotland gewonnen.

Der Vertrag aus dem Jahre 1163 war für die Festigung der Handelsbe-ziehungen zwischen Gotland und Lubeck von grofiem Belang. Die deutschen Kaufleute erhielten dementsprechend eine Reihe von Privilegien unter der Bedingung, dafi sie Lubeck besuchen werden. Die deutschen Kaufleute besuchten den gotländischen Markt gern und ubersiedelten so-gar für den standigen Wohnsitz in die zentrale Inselstadt Visby, wo sie in den 80-ern Jahren des XII. Jahrhunderts eine eigene Kaufmannsgemeinde gegrundet haben (gilda communis). Als die deutschen Kaufleute sich auf der Insel Gotland eingerichtet hatten, nahmen sie einen direkten Kontakt mit den alten Handelspartnern, den Gotlandern und Nowgorodern auf und begannen kommerziellen Verkehr mit ihnen einzurichten. Es entstand im Jahre 1188 ein Konflikt zwischen den Nowgoroder Kaufleuten und der deutschen Kaufmannsgemeinde auf Gotland, der die gerade angefange-nen Handelskontakte unterbrach. Das gegenseitige Interesse für die Han-delsfortführung verlangte dennoch eine rasche Beilegung des Konfliktes. Dies kam im Handelsvertrag 1191–1192 im Namen des Furstes Jaroslav Vladimirovitsch, des Posadniks Miroschka, des Tausendführers Jakov, des Nowgoroder Botschafter Arbud, mit den Deutschen und Goten zum Ausdruck.

Als Ergebnis dieser Streitbeilegung 1188 verschafften sich die deutschen Kaufleute das Recht, nach dem Vorbild des gotischen den eigenen Hof in Nowgorod einzurichten, den sie 1192 gegrundet haben. Es beginnt eine neue Periode in den westeuropeischen Handelsbeziehungen von Großnowgorod nach dem Abschluß des ersten Handelsvertrages mit den Deutschen und nach dem Bau des deutschen Handelshofs mit der Petruskirche in Nowgorod im Jahre 1192. Um die Jahrhundertswende XII— XIII. J. geht der westeuropeische Handel von Nowgorod in die Hande der deutschen Kaufleute uber, die ihn im Ostseeraum monopolisiert haben. Es war zuerst die deutsche Kaufmannsgemeinde, spater die deutsche Städtge-meinde und letzendlich der gesamtstadtische Bund der deutschen Städte, der unter dem Namen Hanse weit bekannt ist. Es dauerte aber noch bis zur Entstehung der Hanse im eigentlichen Sinne.

Uber die Hanse

Was war der Hanseverband? Der Begriff ist dem Sinn nach dem Wort «Gilde» ahnlich und bedeutet «Verband», «Bund», «Bundnis». Die behandelte Hanse ist jedoch nur mit Mtihe deffiniertbar, weil sie mehrere Aspekte enthalt. Die Hanse ist nicht nur eine Handelsvereinigung. Europa war im XIII—XVI J. vom hanseatischen Geist durchgedrungen. Es gab Han-sestadte in den verschiedenen Landern, das Hanserecht war vorhanden, die Hanseschiffe pflugten durch die Meere, die hanseatische Kaufleute beeinflußten die sozialpolitische und kulturelle Entwicklung der Städte. Es fanden regelmassig die hanseatischen Tagungen statt, die nicht nur die Handeslangelegenheiten betrachteten, sondern beschaftigten sich auch mit den rein stadtischen Problemen.

Das Jahr 1370 gait langere Zeit als formales Datum der Hanseentste-hung, als die vereinigten deutschen Städte einen Sieg über Danemark errungen und den durch die Unterzeichnung des Stralsundfriedens begingen.

Mehr als 70 deutsche Städte, die den Kern der Hanse bildeten, nah-men an der Unterzeichnung teil. Der Entstehungsprozeß der Hanse in der Form, wie sie im ganzen mittelalterlichen Europa bekannt war, nahm seinen Anfang in der Tat viel früher. Die Historiker von heute sind nicht in der Lage, das genaue Datum der Entstehung des Hansestadtebundes zu nennen.

Als wichtigste Entwicklungsstuffe bei der Bildung der gesamtstadtischen Hanse gilt die Herausbildung des Wendischen Städtebundes in der zweiten Halfte des XIII. Jahrhunderts, dessen Städte (Lübeck, Rostock, Wiesmar, Stralsund, Greifswald) an der sudlichen Kuste der Ostsee liegen. Lübeck war unter ihnen von großer Bedeutung. Die Städt hatte eine gunstige Lage in der Flußmündung von Trave und war dadurch sowohl mit dem Binnenteil Deutschlands (mit dem inneren Teil Deutschlands) als auch mit der ganzen Ktistenlinie verbunden. Dieser Umstand war für die künftige führende Rolle von Lübeck im deutschen Städtverband vorbestimmend. Im Jahre 1356 erfolgte die erste Hansestadttagung, an deren mehr als 70 Städte aus den verschiedenen Regionen Deutschlands und Livlands teilgenommen haben.

Da die Hanse der Hauptvermittler in den Handelsbeziehungen zwischen den einzelnen Regionen in Zentral-, Ost- und Nordeuropa war, hielt sie im Laufe von XIV—XV. J. alle Faden des westeuropeischen Handels in der Hand. Seit dem XVI. J. begann die Hanse die Konkurrenz von der Seite der sich schnell entwickelnden Niederlanden zu spüren und bald verlor sie die Bedeutung des Monopolvermittlers im Ostseehandel.

Geschichte und Charakter der Beziehungen zwischen Nowgorod und Hanse.

Nowgorod war immer einer der wichtigsten Handelspartner der Hanse. Die Hanseater kauften in Nowgorod die in dem ganzen mittelalterlichen Europa bekannten Pelze, aus Nowgorod wurden Wachs, Honig und andere Waren exportiert. Nowgorod importierte seinerseits die westeuropeischen Stoffe, Salz, Buntmetalle, Bernstein, Hering, Wein und andere Waren.

Die Beziehungen zwischen Nowgorod und der Hanse sind ausgezeichnet von den verschiedensten Schriftquellen dokumentiert. Diese Schriftquellen enthalten Handelsvertrage (19 Exemplare) und Handelsurkunden (33 Exemplare) aus dem Ende des XII. — der zweiten Halfte des XV. Jahr-hunderts, die zahlreichen hanseatischen Dokumente des XIV—XV. Jahr-hunderts, unter denen sich der Schriftverkehr des Hansekontors, Tagungsbeschlüsse, Handels — und Zollbücher der deutschen Städte befinden.

Eine ganz besondere Stelle unter diesen Quellen hat die s.g. Schra — das Statut des deutschen Handelshofes in Nowgorod. Sie reglementierte auf die ausführlichste Weise den Aufenthalt der hanseatischen Kaufleute in den Hofen, enthielt die Verordnungen tiber die Handelsregeln für die verschiedenartigen Waren, schrieb die Ordnung des Handels mit den Russen vor. Die erste Fassung von Schra erblickte das Licht der Welt noch in dem zweiten Viertel des XII. Jahrhunderts und bestand nur aus 9 Paragraphen. Deren Inhalt anderte sich im Laufe der Zeit in Zusammenhang mit den vollzogenen Anderungen in den Beziehungen zwischen Nowgorod und der Hanse.

Als Resultat der aktiven Handelspolitik von Ltibeck raumte die in Vis-by (Gotland) existierende deutsche Kaufmannsgemeinde ihre Einwirkung und die Rolle des Vermittlers im Ostseehandel am Ende des XIII. Jahrhunderts der Städtgemeinde der deutschen Kaufleute ein. In der Zeit entstand eine neue Fassung von Schra, die als Ziel hatte, die bestehende Ordnung gesetzlich festzulegen.

Der Anfang des XIV. Jahrhunderts ist durch die aktive Tatigkeit der deutschen Kaufleute gepragt, die die Sicherheit der Handelsreisen nach Nowgorod gewahrleisteten.

Im Jahre 1301 garantierte Nowgorod den deutschen Kaufleuten, durch die Botschafler aus Lübeck, Gotland und Riga vertretend, drei Landwege und einen Wasserweg, auf den Fltissen. Das ist der erste Fall, dass Riga als Vertreter der livländischen Städte gleichberechtigt neben den fraheren Partnern von Nowgorod genannt wurde.

Obwohl das gegeseitige Interesse immer da war, wurde der Handel zwischen Nowgorod und der Hanse mehrmals durch verschiedene Kon-flikte unterbrochen, deren Hauptgrtinde Nichtbeachtung der Handelsregeln, Unzufriedenheit mit den Bedingungen des Warenaustausches, Raububerfalle auf die Kaufleute oder die Zusammenstosse zwischen den ausländischen Kaufleuten und den Bewohnern von Nowgorod waren. Die Handelsbeziehungen konnten dartiber hinaus wegen der bewaffneten Zusammenstosse zwischen Nowgorod und seinen Nachbarn vollkommen gestoppt werden.

Aus unterschiedlichen Gründen gab in der ersten Halfte des XIV. Jahr-hunderts (1331 und 1338) besonders scharfe Konflikte zwischen Nowgorodern und den hanseatischen Kaufleuten.

Das Wesentliche im ersten Konflikt war der Zusammenstoß der deutschen Kaufleute mit den Nowgorodern, wo ein Nowgoroder ermordet wurde. Die Untersuchung dieser Angelegenheit dauerte einige Tage. Eines Tages wahrend dieser Untersuchung griffen die Nowgoroder den deutschen Handelshof an, vernichteten ein Teil des Zaunes und brachen die Speicher auf. Die Nowgoroder forderten eine Satisfaktion nicht nur für den in der Schlagerei ermordeten Nowgoroder, sondern auch für den frtiher in Derpt (Dorpat) getoteten nowgoroder Kaufmann Ivan Syp. Die Deutschen antworteten darauf, sie haben damit nichts zu tun, weil sie aus den Seestadten und nicht aus den livländischen Städten gekommen seien.

Der nachste Konflikt entbrannte 7 Jahre spater. Die Beraubung und die Ermordung des nowgoroder Kaufmann Volos mit den Kameraden bei Narva haben diesen Streit ins Leben gerufen. Als Antwort sperrten die Nowgoroder die in Nowgorod verbliebenen deutschen Kaufleute in die Kirche und verlangten die Herausgabe der Morder und der Beute. Obwohl die verhafteten deutschen Kaufleute nichts mit dem Mord und Raububerfall zu tun hatten, waren sie gezwungen, sich unter todlicher Bedrohung den Nowgorodern unterzuordnen und als Pfand die gestohlene Waren-menge herauszugeben.

Beide Konflikte, die als Grund verschiedene Anlasse hatten, wurden letzendlich beigelegt. Ihre tatsachlichen Gründe jedoch — die Nichtbefolgung der festgelegten Handelsregeln — wurden im Handel zwischen Novgorod und Hanse nie uberwunden. Folgende Regeln wurden noch in dem ersten Handelsvertrag in Betracht gezogen und spater mehrmals wiederholt, aber nie eingehalten: Anspruche nur gegen die unmittelbaren Schuldigen erheben, der Klager soil nur mit dem Beklagten in Verbindung stehen, Gerichtsbarkeit ist immer an den Orten wo der Streit entstanden ist.

Im Jahre 1356 hat eine Vereinigungstagung stattgefunden. Die deutschen Städte begannen danach, sich unmittelbar mit den Angelegenheiten ihrer Kontore im Ausland in Brugge, Nowgorod, London zu beschaftigen. Dabei wurden die kaufmannische Selbststandigkeit und Unabhangigkeit in den Fragen der Rechtsordnung in den Handelshofen herausgestellt. In diesem Zusammenhang haben die Städte verschiedene Beschlusse uber die Hofunterhaltung, Hofsordnung und uber die Regeln der Handelsführung gefasst. Seitdem wurden alle Angelegenheiten des nowgoroder Kontors auf den hanseatischen und spater livländischen Tagungen erortert.

Auf der Tagung der Hansestadte, die in Lübeck 1366 stattfand, wurden zahlreiche Beschlüsse anlaOlich der Kontore in Nowgorod und Brugge befasst, und an die sich dort befindenden Kaufleuten wurden die verschiedenartigsten Vorschriften verschickt. Den Kern bildeten das Verbot des Handels auf Kredit und die Anweisungen für die Wahl der Gemeindevorsteher. Aufierdem wurde der Kaufmannskreis, der das Recht auf den Handelshof des H.I. Petrus in Nowgorod hatte, nur auf die Burger der Hansestadte eingeschrankt.

Die zweite Halfte des XIV. Jahrhunderts ist reich an hanseatischen Verboten uber den Handel mit Nowgorod: die Konflikte zwischen den Nowgorodern und den hanseatischen Kaufleuten folgten insbesondere in den 70-ern Jahren. Der Meister des livländischen Ordens wand sich 1368 an Lübeck und an andere Ktistenstadte mit dem Vorschlag, die Handelsreisen nach Nowgorod zu unterlassen (wegen des feindlichen Verhaltnisses von Nowgorod zu Orden und zur katholischen Kirche). Lübeck war damit einverstanden. Die Kaufleute der livländischen Städte setzten den Handel mit den Russen in Vyborg, Narva und an der Newa (Fluss) fort, was den Anstoß in Lübeck erregte. Lübeck hat sich beim Ordensmeister darüber beschwert. Seither werden die Meinungsverschiedenheiten und Widersprüche zwischen den livländischen Städten und Lübeck immer pragnanter, weil deren Interessen im Handel mit Nowgorod nicht immer ubereinstimmten. Die Beziehungen zwischen Nowgorod und Lübeck haben sich in dieser Zeit auch wegen eines Seeraubersuberfalls auf nowgoroder Kaufleute 1370 verschlechtert. Die Seerauber haben die Waren der Nowgoroder nach Lübeck geschickt. Ungeachtet des 1371 abgeschlossenen Waffenstillstandes wurden die nach Nowgorod zurtickgekehrten deut-schen Kaufleute wieder unterdrückt.

Als Antwort auf die Verhaftung der nowgoroder Kaufleute in Derpt und auf die Beschlagnahme ihrer Ware wurden im Juli 1375 die deutschen Kaufleute, die im Moment in Nowgorod waren, in Haft genommen. Sie berichteten darüber in einem Brief nach Revel. Die nowgoroder Botschaft nach Derpt blieb ohne Erfolg: die nowgoroder Kaufleute und ihre Ware wurden nicht zuruckgegeben, was seinersets zu einer Verschlechterung der Lage der deutschen Kaufleute in Nowgorod geführt hat. Darüber hinaus wurde in Nowgorod im November 1375 mit der Zustimmung des Posadniks und Tausendführer ein gewisser Johann Brunswick verhaftet, der mit dem Winterzug nach Nowgorod gekommen war, um zu handeln, und der keine Ahnung von diesen Geschehnissen hatte. Seine Ware wurde in die Johannes -Vorlauferskirche ubertragen und er selber wurde als Verbrecher behandelt. Die deutschen Kaufleute wandten sich mit der Klage an den nowgoroder Erzbischof, der sein Bedauern über das Geschehene aussprach und seinen Boten den Deutschen lieh, damit sie sich bei Posadnik beschweren konnten. Sie haben die folgende Antwort bekommen: da der Bischof und der Städtrat von Derpt die nowgoroder Kaufleute verhaftet und ihre Ware beschlagnahmt haben, ohne irgendwelche Grtinde dazu zu haben, iniziierten sie damit einen Konflikt und provozierten das Gegenhandeln der Nowgoroder. Die Nowgoroder versprachen bei der wohlbehaltenen Ruckkehr ihrer Brtider mit den Waren aus Derpt, den verhafteten Brunswick freizulassen und ihm seine Ware zurtickzugeben. Dieser Konflikt wurde im Mai 1376 beigelegt: der novgoroder Kaufmann in Derpt wurde befreit und zusammen mit den Botschaftern nach Nowgorod geschickt.

Der beschriebene Fall ist ein konkretes und zugleich wohl ein typisches Beispiel aus der Praxis der nowgorod-hanseatischen Beziehungen. Es ist darauf hinzuweisen, dafi es ausschliesslich livländische Städte waren, die sich dabei mit der Besprechung und der Beilegung des entstandenen Konfliktes beschaftigten. Das zeigt ihre wachsende Rolle im nowgoroder Handel und bei der Leitung des hanseatischen Kontors in Nowgorod.

Die nachste Auseinandersetzung zwischen den deutschen und den Nowgoroder Kaufleuten war im Jahre 1377, die schon wieder zu gegenseitigen Beschlagnahmungen und Verhaftungen geführt hatte. Die Beziehungen zwischen den hanseatischen Kaufleuten und den Nowgorodern blieben in den 80-ern Jahren des XIV. Jahrhunderts angespannt. Es folgten Verhaftungen der Kaufleute beider Seiten. Die Tagung der livländischen Städte in Wolmar hat im Januar 1385 die Reisen nach Nowgorod vollkom-men verboten. Der Handelskrieg zwischen Nowgorod und Hanse stellte sich von da ab einige Jahre nicht ein. Der Grand dazu waren nicht nur die Verhaftungen der Kaufleute und die Beschlagnahmung der Ware, sondern auch die gegenseitige Unzufriedenheit mit den Handelsbedingungen. Die Nowgoroder klagten z.B. daruber, sie sollten wegen der Weigerung der deutschen Kaufleute, einige Pelzsorten zu kaufen Schaden erleiden. In der gleichen Zeit haben die Nowgoroder die Ansprüche gegenuber den Deutschen geltend gemacht, was die Salzpreise betraf. Die Hansekaufleute forderten seinerseits die Einhaltung der früheren Handelsprivilegien. Die Hansestadte erorterten die Frage über die Reisen nach Nowgorod an der Tagung in Ltibeck im Juli 1386 und haben einen Vorschlag gemacht, den ganzen Handel mit den Russen nach Derpt zu verlagern und den Handel mit ihnen in keinem anderen Ort zu fortzuführen. Dieser Vorschlag hat aber keinen Widerklang gefunden. Es wurde aber an der Tagung in Derpt 1389 beschlossen, die Reisen nach Russland mit unter der Bedrohung des Lebens- und des Warenverlustes zu verbieten. Die Kaufleute aller Stadte sollten davon benachrichtigt werden. Um allem die Krone aufzusetzen brach im Jahre 1385 ein großes Feuer aus, infolge dessen die ganze «Handelsseite» (Handelsviertel in Nowgorod) nieder brannte. Die gotländischen und deutschen Hofe wurden nicht nur vom Brand geschadigt, sie wurden auch geplundert. Erst im Jahre 1391 fanden Verhandlungen zwischen den Nowgorodem und den deutschen Botschaftem in Izborsk statt, die mit einem Friedensschluss 1392 endeten. Dieses Dokument ist unter dem Namen Niebursfrieden (oder Kreuzküssung Nieburs) in die Geschichte eingegangen. Johannes Niebur war der hanseatische Botschafter, der den Vertrag in im Namen der Hanse geschlossen hat.

Nach der Friedensunterzeichnung haben sich die deutschen Botschafter auf den Weg nach Nowgorod gemacht. Die Chronik berichtet folgen-derweise daruber: «Sie haben ihre Waren zuruckbekommen, das Kreuz gektißt und sie begannen, ihre Hofe neu aufzubauen: weil es seit 7 Jahren keinen dauerhaften Frieden gab».

Neben der Belegung der konkreten Handelsverletzungen setzte der Niebursfrieden die traditionellen, von früheren Abkommen bekann-te Ordnung der Konfliktsituationslosung fest: Der Klager soil mit dem Beklagten kommunizieren, die zwischen den Konfliktparteien entstehenden Prozesse sollen am Entstehungsort verhandelt werden usw. Was den Brand 1385 und die dabei entstandene Pltinderung der deutschen Waren betraf, verpflichteten sich die Nowgoroder Ermittlungen anzustellen. Der Niebursfrieden hat für mehrere Jahre den Handelscharakter gepragt und gait als Grundlage bei der Beilegung der spateren Konflikte zwischen den nowgoroder und hanseatischen Kaufleuten.

Der Niebursfrieden wurde zu einem Wendepunkt in den nowgoroder-hanseatischen Handelsbeziehungen, die seither vollkommen von den liv-ländischen Städten geregelt wurden.

Alle Handelsabkommen zwischen der Hanse und Nowgorod, die im XV. Jahrhundert stattfanden, wurden nur von den Botschaftem der livländischen Städte ohne Teilnahme der Botschafter aus Lübeck und Visby abgeschlossen. Wie es noch im XIV. Jahrhundert üblich wurde, wandten sich die deutschen Kaufleute mit alien wesentlichen und dringenden Fragen (Konflikten mit den Nowgorodem, Finanzprobleme, Angelegenheiten, die mit dem Wiederaufbau der Hofe zu tun hatten) an Revel und Derpt.

Das erste Jahrzehnt des XV. Jahrhunderts war für den hanseatischen Handel in Nowgorod schwer. Die Anzahl der Kaufleute, die nach Nowgorod reisten, war merklich geringer; die Kasse der Petruskirche wurde leer. Als Folge konnten die Kaufleute sogar die für den Hof notigen Gegenstande nicht kaufen und waren gezwungen, die Dienste von den anderen Kaufleuten in Anspruch zu nehmen. In der gleichen Zeit begannen auch die neuen Konflikte zwischen Nowgorod und der Hanse. Charakteristisch für die Beziehungen zwischen Nowgorod und der Hanse im XV J. war die aktivere Position Nowgorods. Die Spiegelung davon ist in den Forderungen zu sehen, den Salz-, Honig- und Stoffhandel in Ord-nung zu bringen. Den gleichen Beweis der gestiegenen Rolle von Nowgorods geben auch die Vorderungen der Lohnbedingungen für Trager und Fahrleute; des Kleinhandels und hauptsachlich die Forderung «des freien Weges über das Meer». Das ganze XV. Jahrhundert wurde von den unaufhorlichen Konflikten zwischen Hanse und Novgorod gepragt, die 1403, 1406–1409, 1410–12, 1416, 1420–21, 1424–25, 1439–40, 1441, 1443, 1448, 1468, 1478 stattfanden.

Die stabilen Beziehungen zwischen den Partnern waren entstanden erst ein Jahrzehnt nach dem Abschluß des Niebursfriedens. Nach der Kla-ge des Nowgoroders Ivan Kotscherin haben die Nowgoroder im Dezember 1403 den deutschen Kaufleuten die Ausreise aus Nowgorod verboten. Die Handelsbeziehungen wurden 1406 besonders kompliziert, als der Krieg Litauens und dem deutschen Orden gegen Pleskau ausgebrochen war. Obwohl die Nowgoroder den Hansekaufleuten versprochen hatten, den «freien Weg» in ihre Gebieten zu gewahrleisten, wurden die deutschen Kaufleute im Fruhling 1406 in Nowgorod wieder verhaftet. Die Instabile Lage der deutschen Kaufleute in Nowgorod dauerte einige Jahre, und erst im August 1409 wurden die Beziehungen besser, als eine Vertragsurkun-de über eine gegenseitige Ruckgabe aller eroberten Waren unterzeichnet wurde.

In der Zwischenzeit wuchs in Nowgorod standig die Unzufriedenheit mit den Handelsbedingungen, die durch das im August 1409 abgeschlossenen Abkommen nicht liquidiert worden sind. Deshalb verscharften die Nowgoroder nicht nur die Handelsregel, sondern trieben Anfang 1410 4 Wochen uberhaupt keinen Handel. Als Folge dessen sammelte sich eine große Warenmenge in den Hofen der deutschen Kaufleute und die Petruskirche war voll davon. Die Nowgoroder hofften, die Ankunft der Sommerhandler werde die Hanseaten dazu zwingen, zurtickzustecken und die Forderungen der Nowgoroder zu akzeptieren. Nowgorod versuchte die Hanse auf verschiedenste Art und Weise zu beeinflufien. Dabei wurden die Ansprüche bezüglich der Handelsangelegenheiten und der Organisation und des fünktionieren des Hansekontors angehoben. Die Sache ist die, daß der Handelshofkommis kein Recht hatte, Handel zu treiben. Um die Kosten zu ersetzen, wurde es ihm doch erlaubt, ein Wirtshaus im Hof zu haben. Die Einnahmen vom Wirtshausgeschaft durfte er behalten. In der beschriebenen Periode verlangten die Nowgoroder, die Schließung des Wirtshauses, das ihrer Meinung nach Unruhen verursachte, weil auch die Russen das Lokal gerne besuchten.

Es kam im Jahre 1416 zu einem weiteren Bruch der guten Verhaltnisse zwischen der Hanse und Nowgorod, infolge dessen zuerst die livlandi-schen und spater aucn alle Hansestadte ein Verbot erklarten, mit Nowgorod Handel zu treiben. Nowgorod hat seinerseits den Nowgorodern verboten, nach Polozk und Pleskau zu reisen, wo sie die deutschen Kaufleute treffen konnten.

Hervorstechend in diesem Konflikt war die Tatsache, dass die livländischen Städte selbststandig, ohne Lübeck etwas mitzuteilen, eine Handelsblockade erklarten. Die Tatsache unterstreicht Vonnachtstellung in dieser Periode im Handel zwischen der Hanse und Nowgorod. Bei der Beilegung des Konfliktes waren auch ausschließlich die livländischen Städte tatig. 1417 haben gerade die Botschafter aus Revel den nachsten Friedensvertrag auch ohne Sanktionen der Hanse unterzeichnet. Die Han-delsbeziehungen zwischen Nowgorod und der Hanse wurden also wieder-hergestellt und das Leben des deutschen Handelshofes wurde neu belebt.

Die 30-er Jahre des XV. Jahrhunderts wurden zum Wendepunkt in der Geschichte des nowgorod-hanseatischen Handels. Als Folge der er-hohten Konkurrenz von Seiten der rasant wachsenden Niederlanden lasst in dieser Zeit die Rolle der Hanse im gemeinen Ostseehandel nach. Das widerspiegelte der Zustand des Hansekontors in Nowgorod. Da der Mittelpunkt des nowgorod-hanseatischen Handels zu dieser Zeit in die livländischen Städte verlagert wurde, verringerte sich bemerkbar die Anzahl der Kaufleute, die nach Nowgorod kamen. In diesem Zusemmenhang wurde die frtiher festgelegte Wahlordnung der Gemeindevorsteher und deren Heifer oft verletzt und das Kontor blieb ohne Ftihrung. Dies alles zwang die livländischen Städte, die im Grunde genommen die einzelne Kontors-leiter waren, neue Amter im Petrushof zu schaffen. Aus Mangel an den traditionellen gewahlten Gemeindevorstehern sollten sie ihre Funktionen ausuben. Als ein neues Amt wurde «Vorstehender» genannt, der für die Befolgung von Schra, für die rechtzeitige Steuer- und Bußzahlung sorgte, die Strafen bestimmte, d.h. die Gerichtsmacht im Handelshof ausübte.

Der Niedergang des Kontors zeitgte sich im Außeren in den Hofsord-nungsverletzungen von den einzelnen, besonders jungen, Kaufleuten. Die Beschltisse von Schra wurden vernachlassigt, was durch den Mangel an einer festen Macht zu erklaren ist. Die jungen Manner, die dort den Handel erlernten, hielten sich am Handelshof langer auf als die festgesetzte Frist es zuließ. Sie verkauften Wein und Bier in den Fassern und in Eimern und trieben Gluckspiel, was laut Handelshofverordnungen verboten war.

Die Lage der deutschen Handelsleute in Nowgorod verschlechterte sich mit jedem Jahr. Bei der Errichtung der neuen Pforte am gotländischen Hof brach ein scharfer Streit 1439 zwischen den Kaufleuten und den Straßenaltesten (Gemeindevorstehern) der Michailovskaja Strafie, der bild-reich in einem Bericht der Kaufleute nach Derpt und Revel beschrieben wurde. Es ging um die deutsche Aneignung des Straßenterritoriums wah-rend des Pfortebaus. In der Tat war die Flache des vereinnahmten Grund-stuckes winzig, ja nur Handflache. Bei der Errichtung des Pfortepfostens gingen die neuen Pfeiler nicht in das alte Loch, deshalb war es notwendig, das Holzpflaster an der Michajlovskaja Straße ein bisschen zu behauen. Das hat die stark negative Reaktion der Nowgoroder hervorgerufen, die den Posadnik und Tausendführer für die Hilfe angerufen haben. Es ging natürlich nicht um die Große des eingenommenen Territoriums, sondern urns Prinzip. Die Verhaltnisse mit den deutschen Kaufleuten wurden in diesen Jahren standig von der gegenseitigen Beschlagnahme und von den Verhaftungen der Kaufleute; von den Vorwürfen, die Waren seien minderwertig begleitet. Die Nowgoroder wollten auf keinen Fall den Deutschen nachgeben und dies zeigte sich in jeder Kleinigkeit.

Die bedeutenden Anderungen, die im Handel zwischen Hanse und Nowgorod in der ersten Halfte des XV. Jahrhunderts stattfanden haben, verlangten die Anderung des existierenden Statutes des Handelshofes. Die Frage der neuen Schrafassung wurde an einigen livländischen Tagungen, anfangend im Jahre 1450, betrachtet. Als die livländischen Städte die offizielle Verwaltungsmacht im nowgoroder Kontor bekamen, strebten sie offensichtlich danach, es juristisch in einer neuen Schrafassungen zu fixieren. Die in Pernau 1465 stattgefundene Tagung hat die Entscheidung getroffen, die neue Fassung von Schra vorzubereiten. Die Quellen berichten, Derpt, Revel, Lubeck und die anderen 73 Städte haben schon im Jah-rel466 zusammen mit den Kaufleuten eine neue Schra für den Handelshof veroffentlicht.

Die Veranderungen in dem Hansekontor in Nowgorod betrafen auch die Ordnung selbst, den Handel zu führen. Es wurde z.B. noch am Anfang des XIV. Jahrhunderts ein Beschluß gefasst, der verbot, einen Makler am Handelshof zu haben, d.h. einen Vermittler zwischen dem Kaufer und Verkaufer. Die Makler wurden aber zur Mitte des XV. Jahrhunderts am Handelshof gesetzlich festgelegt. Zum ersten Mai wurden sie in der Urkunde aus dem Jahre 1437 erwahnt. 1452 wurde eine Maklersordnung am Petrushandelshof festgelegt, in deren die Rechte und Verpflichtungen des Geschaftsvermittlers bestimmt wurden.

Die zweite Halfte des XV. Jahrhunderts war, auch so wie die früheren Perioden, voll von den unendlichen Konflikten. Die Streitigkeiten, in den Verhaltnissen zwischen Nowgorod und Hanse tauchten wegen der Nichtbefolgung der Handelsregel, wegen der schlechten Warensqualitat usw. auf. In jedem Vertrag wurden die Bedingungen wiederholt, die Kriegs-handlungen sollten die Anreise der Kaufleute in Nowgorod nicht beeinflußen. Ungeachtet dessen wirkten sich die Kriegskonflikte zwischen Nowgorod und dem Orden standig negativ für den Handel aus. Die Forscher weisen darauf hin, dass die Konzentration des hanseatischen Handels in den Handen der livländischen Städte zu deren engen Abhangigkeit von den Beziehungen zwischen Nowgorod und dem Orden führte. Der Orden versuchte schon seit langem den nowgorod-hanseatischen Handel zu beeinflußen. Besonders pragnant kam diese Abhangigkeit am Ende der 30-er, in den 40-ern Jahren des XV. Jahrhunderts zur Geltung. So z.B. folgten 1439, 1440 die Verbote von der Seite des Ordens, Salz und Pferde nach Russland einzuführen. Im Jahre 1441 wurden die deutschen Kaufleute in Nowgorod verhaftet. Das war die Antwort auf die den Nowgorodern in Revel und Narva zugefugten Beleidigungen. Die Lage der Hanseater verschlechterte sich nach den mißlungenen Verhandlungen zwischen den Botschaftern aus Nowgorod und der des livländischen (Deutschen) Ordens in Narva 1442 so sehr, dass der Handeslhofkommis nach Derpt mitteilte, die Nowgoroder drohten ihm mit dem Tod.

Es wurde 1443 an der livländischen Tagung in Pernau der Entschluss gefasst, das Kontor in Nowgorod zu schliefien. Riga bat dabei Danzig im Namen aller livländischen Städte, über dieses Verbot die tibrigen hanseatischen Städte zu informieren. Tagungsbeschlusse ordneten den deutschen Kaufleuten an, den Handelshof zu verlassen, die Kirche zu schliefien und die Schltissel wie gewohnlich dem Erzbischog von Nowgorod, dem Archimandrit des Jurij-Klosters zu ubergeben.

Dieser Konflikt war einer der schwersten und mühsamsten in der Geschichte der novgorod-hanseatischen Verhaltnisse, die sich in dieser Zeit so zugespitzt haben, daß die Kirchenbehorde der Städt für die Abwe-senszeit der Deutschen in Nowgorod zum ersten Mai abgelehnt hat, die Schlussel der deutschen Kirche und des Handelshof entgegenzunehmen und zu verwahren, wie es fruher der Fall war.

Der 1443 ausgebrochene Krieg zwischen Nowgorod und dem Deutschen Orden verschlechterte die schon ohnehin zugespitzten Handerlsverhaltnisse. Die hanseatischen Waren wurden trotz des festgelegten Verbotes, nach Nowgorod via Pleskau geliefert, mit dem die hanseatischen Kaufleute noch Handel trieben. Der Ordensmeister hat in diesem Zusammenhang Revel befohlen, die Wege zwischen Revel und Derpt zu sperren, weil die von dort ankommenden Waren zuerst in Pleskau und dann schließlich in Nowgorod landeten. Die livländischen Städte und insbesondere Revel waren jedoch mit dieser Geschaftslage unzufrieden, weil sie grosse Verluste wegen des Handeslverbot in Nowgorod erlitten. Sie schlugen des-halb schon im Jahre 1444 dem Ordensmeister vor, die Kriegshandlungen einzustellen und einen Friedensvertrag mit Nowgorod zu schließen. Die Städte drohten dem Ordensmeister damit, daß sie im Ablehnungsfall einen anderen Gonner für sich finden werden. Sie beharrten außerdem darauf, daß der Orden sich nicht die Handelsangelegenheiten der Städte einmi-schen und sie mit den politischen Angelegenheiten des Staates verwech-seln darf. Nach der Vertragsunterzeichnung 1448 zwischen Pleskau, Nowgorod und Orden machten sich die livländischen Städte an die Regelung ihrer Verhaltnisse mit Nowgorod.

Die nachsten Verhandlungen zwischen Nowgorod und den hanseatischen Städten, die von Derpt und Revel vertreten wurden, fanden im Herbst 1468 statt. Die Nowgoroder wollten die deutschen Kaufleute für den Schaden haftbar machen, die die Nowgoroder im Handel mit der deutschen Seite immer erlitten. Die Botschafter waren durch solche unver-schamten Forderungen emport und befahlen die Kirche zuzumauern, d.h. zu schließen, und Nowgorod zusammen mit den Kaufleuten zu verlassen. Die in Februar und April 1469 in Wolmar und Lubeck stattgefundenen Tagungen haben diesen Beschluß bestatigt. Die Lubecker Tagung 1470 hat das Handelsverbot mit Nowgorod bestatigt, und warnte dabei vor den Schmuggelreisen zur Nevamtindung. Das Verbot gait auch für die livländischen Städte, die pflegten, wahrend der Konflikte mit Nowgorod Handel zu treiben. Im Jahre 1472 haben schließlich die Verhandlungen begonnen, die zur Unterzeichnung eines Friedensvertrages führten. Das war der letze Handelsvertrag zwischen Hanse und Nowgorod, da die Städt noch unab-hangig war.

Im Jahre 1478 zog der Großfurst Ivan III. ins Feld gegen Nowgorod. Die nowgoroder Republik verlor infolge dieses Feldzuges ihre Unabhan-gigkeit und war dem Großfursten von Moskau unterworfen. Dieser Feldzug hatte Folgen für das Schicksal des nowgorod-hanseatischen Handels insgesamt, des Handelskontors in Nowgorod und seiner Bewohner im be-sonderen. Die livländischen Städte berichteten nach Lubeck, daß die deutschen Kaufleute mit ihren Waren in Nowgorod verhaftet wurden, weil der Großfurst die Städt Nowgorod unter seine Herrschaft gebracht hatte. Es erfolgten 1484 die Verhandlungen mit Nowgorod über die Erhaltung der deutschen Hofe und der deutschen Kirche in Nowgorod. Als diesbezugliche Antwort auf den Brief aus Derpt kam eine Urkunde aus Nowgorod, die den Wunsch und das Einverstandnis von Nowgorodern ausdrückte, nach alter Art und Weise zu handeln.

Die wirtschaftlichen Grundlagen des nowgoroder Bojarentums (der alte Adel in Nowgorod) — Landbesitz, Teilnahme an dem internationallen Handel usw. — blieben nach dem Anschluss Nowgorod in das moskauer Reich unverandert. Trotz der Abschaffung der Unabhangigkeit und der Umbildung der Verwaltungsstrukturen und Dienstsstellen in der Republik blieb die okonomische Situation bis in die Mitte der 80-er Jahre des XV. Jahrhunderts stabil. Erst nach der Entfernung der Bojaren 1480–1484 und der Besetzung durch die Moskauer fand die radikale Umgestaltung des nowgoroder Wirtschaftssystems statt. Das Kontingent der Handelsleute in Nowgorod, die den Handel mit den westeuropaischen Partnern trieben, hat sich in dieser Zeit geandert, was weitere Schwierigkeiten für die hanseatischen Kaufleuten bedeutete. Sie mussten sich in der neuen Situation orientieren und neue Handelskontakte kntipfen.

Es ist darauf hinzuweisen, dafi es ausschließlich die livländischen Städte waren, die die entstandene schwierige Lage im nowgorod-hanse-atischen Handel beilegten. Sie wurden mit dem Vorschlag initiativ, eine Botschaft 1486 nach Moskau zu schicken, um bei dem Großfurst die Bestatigung ihrer alten Handelsfreiheiten zu bekommen. Als Antwort darauf hat Ivan III. seinen Statthalter in Nowgorod bevollmachtigt, den Frieden mit den Hanseaten zu schließen.

Das Hansekontor in Nowgorod wurde 1494 nach dem Befehl von Ivan III. geschlossen, der eigentlich im Begriff war, die 1494 entstandene Auseinandersetzung friedlich beizulegen. Der deutsche Handeslhof in Nowgorod wurde nach der Hinrichtung zweier russischer Kaufleute in Revel, das die Verletzung der Vertragsbedingungen bedeutete geschlossen, die Kaufleute wurden verhaftet und ihre Waren beschlagnahmt.

Es gab wahrend der Verhaftung im Hof 49 Kaufleute aus 18 Städten; die Mehrheit (17 Personen) bildeten die Vertreter aus Lubeck; 7 Leute waren aus Derpt, unter deren der Hofskommis; Dortmund, Koosfeld und Revel wurden durch 9 Kaufleute vertreten; Luneberg, Scheperod und Schwerin haben je 2 Kaufleute geschickt. Aus Hamburg, Munster, Bre-ckenfeld, Inn, Duisborg, Frankfurt, Emeke, Duderstadt, Greifswald, Lem-garden stammte je eine Person. Das ist die einzigste erhaltende Liste für die ganze Zeit, als das Kontor in Nowgorod bestand, in der die Teilnahme der Städte an den Nowgorodreisen zum Ausdruck kam. Es ist zweifellos

anzunehmen, dass die Herkunft der Kaufleute in den früheren, besonders wohlbehaltenen Zeiten auch sehr verschiedenartig war. Zusammen mit den Waren, deren Wert 96000 Mark war, wurden auch die Besitzwerte des Kontors inventarisiert und in Beschlag genommen. Mit der Schließung des Hansekontors in Novgorod 1494 endet die Periode der selbststandigen Beziehungen zwischen Nowgorod und der Hanse. 

Handelscharakter (Beschaffenheit des Handels)

Weder in den russischen, noch in den hanseatischen Quellen gibt es direkte Hinweise darauf, wie und wo der Handel in Nowgorod mit den Auslandern getrieben wurde. Die zahlreichen Ausktinfte aus den Städtta-gungsbeschltissen, aus der Handelshofkorrespondenz, aus den Schrapara-graphen machen es jedoch moglich Art, Weise und Charakter des Handels selbst wenn nur in groben Umrissen zu rekonstruieren. Der Handel zwischen Nowgorod und Hanse war offensichtlich Tausch- und Großhandel, tibrigens wie der Handel im Mittelalter tiberhaupt. Die Stoffe wurden in Rollen verkauft, die mit den speziellen Plomben versiegelt waren. Salz verkaufte man sackweise; Honig, Wein, Hering, Buntmetall — in Fassern. Bei den Ausgrabungen am Nerevskij Strafienende wurden am Gutshaus der reichen Posadniksfamilie die Boden der Eichenfasser mit den hanseatischen kaufmannischen Zeichen im großen Ausmaß gefunden. Es ist zweifellos, daß in diesen Fassern die hanseatischen Waren nach Nowgorod geliefert und von den reichen Nowgorodern en gros gekauft wurden. Der Großhandel war sogar für solche kleinen Einzelwaren typisch wie Handschuhe, Garn, Nadeln, die auch die Kaufmannslehrlinge in den Vor-ratskammern verkaufen durften. Die genannten Gegenstande sollten dutzend-, hundert- und tausender- weise verkauft werden. Die russischen Waren wurden auch en gros eingekauft: Wachs — in Ringen, Pelze, Rauch-waren — Hunderte von Fellen. Nach einigen Angaben zu urteilen, waltete der Einzelhandel auch ob.

Es war für die Kaufleute nicht notig, mit ihren Waren zum Markt zu gehen. Von den Schraparagraphen schließend, gait als Haupthandelsort der ausländische Hof, wohin die nowgoroder Kaufleute kammen, um Ge-schafte zu machen und um die Ware abzuholen. Die deutschen Kaufleute beschafften sich die nowgoroder Waren auch unmittelbar auf den Gutern der russischen Partner.

Schra berichtet darüber, daß der Kaufmann nicht mit seinem Bruder, Geschaftspartner oder Gehilfe zum Kauf gehen durf-te, sondern unbedingt mit einem anderen Kaufmann. Man durfte die ausgewahlte Ware innerhalb von 3 Tagen nicht abholen, solange der andere Kaufmann der bei dem Kauf dabei war seine Zustimmung nicht gab.

Besonders streng sorgte Schra für die Einhaltung des Tauschhandel-charakters, d.h. Barware gegen Barware. Es wurde an der Gesamtversammlung der Kaufleute in Nowgorod 1318 beschlossen, den Handel auf Kredit kategorisch mit der Androhung der Beschlagnahme zu verbieten, wenn die Waren auf solche gesetzwidrige Weise gekauft wurden. Diese Regel wurde spater standig erneuert und in alle Schrafassungen einge-schlossen. Der Handel auf Kredit war mehrmals das Besprechungsthema an den Städtratstagungen, jedes Mai wurde er mit der Androhung verboten, die Ware und den guten Kaufmannsruf zu verlieren. Die standige Erneuerung der Handelsregel «Barware gegen Barware» spricht auch da-fur, daß diese Regel standig von den Kaufleuten verletzt wurde. Es gibt konkrete bekannte Falle des Kredits auf Kredit: z.B. 1406 schickte der Handelshof einen Klagebrief nach Revel, daß zwei Kaufleute aus Revel mit den Russen auf Kredit handelten. Standige Verletzungen gegen die Handelsregel zwangen die Städte, das Strafmaß zu verstarken. Im Jahre 1453 wurde ein Beschluß gefasst, laut dessen der Handel auf Kredit durch «das hochste Strafmaß ohne jegliche Nachsicht» bestraft wurde.

Die Normativquellen erlauben zu beurteilen, daß die Regelungen der juristischen Verhaltnisse zwischen den ausländischen Gasten und den Nowgorodern, die Beilegung der Auseinandersetzungen in den Handelsangelegenheiten sich vollkommen in der Zustandigkeit von Tausendfuhrer und dem Gemeindevorsteher von Nowgorod befanden. Es wurde in den Paragraphen des Vertrages aus dem Jahre 1262 erwahnt, wenn es zu Auseinandersetzungen zwischen den Deutschen und Nowgorodern kam, mußte man zur Johannes-Vorlauferskirche an den Opoki gehen und dort, im Vorhof, vor dem Tausendführer «diesen Streit beenden». Die deutschen Kaufleute beharrten auch standig darauf, daß der kaufmannische Gerichtsort im Hof der Johannes-Vorlauferskirche und niergendwo an-ders, «vor dem Tausendführer und vor zwei deutschen Gemeindevorstehern», sein soil. Es ist dadurch zu erklaren, daß die Handelsstreitereien in der Wirklichkeit zu den Auseinandersetzungen und Konflikten führten, die nach sich auch die Verletzungen der Handels- und Strafgesetzgebung zogen. In dem letzten Fall sollte sich die Behorde von Nowgorod einmischen.

Die Gesamtangaben fast aller Vertragsurkunden von Nowgorod mit den westeuropaischen Geschaftspartnern (beginnend mit der altesten aus dem Ende des XII. Jahrhunderts bis an die Dokumenten des XV. Jahrhunderts) bezeugen, daß die hochsten Behorden von Nowgorod an den Beilegungen der Konfliktsituationen zwischen den Nowgorodern und Auslandern aktiv teilnammen. Unter diesen Behorden konnten

Fürst oder der furstliche Statthalter, Posadnik oder Tausendführer sein. Dies bestatigen auch die Berichte des Hansekontors, die konkrete Falle beschreiben.

Das hanseatische Kontor und die hanseatische Kaufmannschaft in Nowgorod

Das hanseatische Kontor in Nowgorod war neben den Komoren in Bergen, Brugge und London eines der grofiten in Europa. Seinen Kern bildete zweifellos der am Ende des XII. Jahrhunderts gegründete deutsche Handelshof mit der Petruskirche. Der gotländische Hof, der Anfang des gleichen Jahrhunderts eingerichtet wurde, blieb im Besitz von Gotland und wurde den deutschen Kaufleuten vermietet. Die beiden Hofe lagen an der Handelsseite der Städt, nicht weit von dem Jaroslav-Hof: der gotländische Hof befand sich an der stidlichen Seite, an der Küste von WolchoW (wo heute das Hotel «Rossija» steht), der deutsche Hof lag ostlich vom Jaroslav-Hof (gegenüber der Nikolaus-Kathedrale und der Paraskeva-Kirche).

Der gotländische und der deutsche Hofe dienten als eine Art von Fes-tungen für die ausländischen Kaufleute. Sie wurden hoch und fest um-zaunt. Die deutsche Kaufmannschaft sorgte standig für deren gute Erhal-tung, immer wenn das Kontor in Nowgorod existierte. Die Hauptgebaude innerhalb der Hofe waren die Kirche: am gotländischen Hof stand die Olafskirche, am deutschen Hof — die Petruskirche. In der Petruskirche wurden neben der Kontorskasse (Schatz), Kirchenschatz und Hofsarchiv auch die meisten hanseatischen Waren aufbewahrt. Die Kirche selbst dien-te mehrmals als sicherer Zufluchtsort für die deutschen Kaufleute wahrend der Auseinandersetzungen mit den Nowgorodern, wortiber verschiedenste Quellen berichten.

Es befanden sich in den Hofen neben den Kirchen auch Wohngebaude, Speicher für die Warenlagerung (z.B. Salzspeicher an dem gotländischen Hof), eine Bierbrauerei, eine Mtihle und sogar ein Krankenhaus. Man bekamm einige konkrete Vorstellungen, wie die Anlagen und Gegenstande im Alltag der hanseatischen Kaufleute waren, dies geschah wahrend der Ausgrabungen des gotländischen Hofes 1968–1970. Innerhalb von 3 Jahren wurde ein Grundstuck mit der Flache von 552 m2 erforscht, auf dem man wahrend der Ausgrabungen einen Pfahlzaun, zwei Blockhauser, die Ruine eines Steinturmes und eine große Sammlung der westeuropaischen Gegenstande entdeckt hat.

Die nach Nowgorod aus verschiedenen Städten reisenden hanseatischen Kaufleute waren im Hof eine einheitliche deutsche Kaufmannschaft, die sich in allem nach Schraparagraphen und gemeinsamen Verordnun-gen richtete und an deren Spitze sie die aus ihrem Keis ausgewahlten Gemeindevorsteher stellten. Es waren nur die Kaufleute aus den hanseatischen Städten, die das Recht hatten, in Novgorod Handel zu treiben und in den Hofen zu leben. Die Hansestadte strebten immer nach dem Monopolhandel mit den Russen. Es wurde in alien Schraredaktionen und in der Korrespondenz der Hansestadte nachdrucklich das Verbot wieder-holt, mit den Nichthanseatern (besonders mit den Hollandern oder Flamen — den Hauptkonkurenten der Hanse) ein gemeinsames Geschaft zu machen oder ihre Waren nach Nowgorod zu bringen. Die Kaufleute aus livländischen, wendischen, westfalischen Städten besuchten Nowgorod am haufigsten und genossen die Privilegien, wahrend die Kaufleute aus den preuflischen Städten, die auch zur Hanse gehorten, im Handel in Nowgorod eingeschrankt waren. Die hanseatischen Kaufleute, die selten nach Nowgorod kammen, hatten von ihren Städtverwaltungen (Magistraten) Empfehlungsschreiben für das Erhalten des Rechtes, in Nowgorod zu handeln. So z.B. die Städt Breslau (heute Wrozlaw) 1437 empfahl, einen gewissen Andreas, den Diener eines Breslauer Burgers, am Hof zu empfangen, der nach Nowgorod dienstlich von seinem Herren geschickt wurde, «weil unsere Städt Breslau und wir alle gehoren zu der deutschen Hanse».

Die Kaufleute wurden in Sommer- und Wintergaste unterschieden. Die Wintergaste kammen nach Nowgorod im Herbst wahrend der letzten Schifffahrtsperiode (Navigation) oder mit dem ersten «Schlittenzug» und verließen die Städt im Fruhling. Sie wurden von den «Sommergasten» abgelost. Es existierte zuerst nur der Seeweg aus der Ostsee durch den Nevafluß bis zum Ladogasee, weiter auf dem Wolchowfluß nach Nowgorod. Schon Anfang des XIII. Jahrhunderts wurde ein Weg zu Lande erwahnt. Die Seegaste hatten zuerst die Vorteile im Vergleich mit denen die zu Land kamen. Dieser Unterschied zwischen den zur See und zu Land reisenden Gasten wurde allmahlich ausgeglichen, zumal seit Anfang des XIV. Jahrhunderts für die deutschen Kaufleute die «reine» (d.h. die freien) Wege zu Lande gewahrleistet wurden.

Die Kaufleute unterschieden sich nicht nur nach ihrer Zugehorigkeit zu jener oder anderer Städtgemeinde, sondern auch nach ihrer Sozialen Stellung. Die Hauptgrappe des Kaufmannsstandes, der in Nowgorod handelte, bildeten die s.g. «Meistermanner» — selbststandige Kaufleute, die ihr eigenes Kapital und eigene Waren hatten. Jeder von ihnen durfte zwei Manner mitbringen, die «Knecht» oder «Knabe» (wortlich «Diener», «Gesinde») hießen, die nicht die Funktionen der Eigendiener des Kaufmannes erfullten, sondern als Geschaftsgehilfen auftraten. Ein anderer Fall waren die «Junge», d.h. junge Manner, die das Handeln erlernten und den selbststandigen Kaufleuten halfen.

In der Bltitezeit der Hanse war es üblich, dass in den gotländischen und deutschen Hofen gleichzeitig 150–200 Leuten wohnten. z.B. im Winter 1336–1337 befanden sich am Hof 160 Personen, im Jahre 1425 waren dort zwischen 116 und 150 Leute; die großte Zahl von 200 Leuten nennt eine Urkunde aus dem Jahre 1439. Mit dem Verfall des Kontors im XV. J., war die Anzahl der Kaufleute, die nach Nowgorod kamen, merk-lich zurtickgegangen, was in Schra seine Spuren hinterließ.

Es wurde zuerst nicht verboten, bei Mangel an Unterkunftsplatze an den gotländischen und deutschen Hofen in den Hofen von Nowgorodern abzusteigen. Die Tatsache, daß die deutschen Kaufleute bei den Nowgorodbewohner untergebracht wurden, wurde mit den Ausgrabungen 1972–1974 auf einem mit den deutschen Handelshof benachbarten Grundstuck belegt, das auf der heutigen Michajlovskaja-Straße liegt. Man hat aber all-mahlich ein Verbot für die Hanseater eingesetzt, die nowgoroder Höfe für Unterkunft und Warenlagerang zu benutzen. Diese Beschrankung wurde dadurch ins Leben gerafen, dass in der ersten Halfte des XV Jahrhunderts, als die Handelsverbote gegen Nowgorod hinter ein ander folgten, es doch Kaufleute gab, die trotz diesen Verbotes, nach Nowgorod kamen und ihre Waren in den russischen Hofen lagerten. Aus den Jahren 1421 und 1431 wurden zwei Briefe der Kaufmannschaft des hanseatischen Kontors auf-bewahrt, die die bei den Russen untergebrachten Kaufleute verklagte. Das hat dazu geftihrt, daß die livländischen Städte an der Tagung in Wolmar 1434 eine Entscheidung getroffen haben, die Lagerung der deutschen Waren in den russischen Hofen zu verbieten und die Nichterfullung dieses Beschlusses zu bestrafen.

In der Jahrhundertwende XIV—XV J. entstanden allmahlich in den Großstadten Deutschlands die Kaufrnannsvereinigungen, die sich auf den Handel mit bestimmten Städten oder mit bestimmten Landern speziali-sierten. Anfang des XV. Jahrhunderts gab es nur in Ltibeck ca. 10 Vereinigungen dieser Art, darunter waren auch die nowgoroder Vereinigung. Die mit Nowgorod handelnden Kaufleute hießen «Nowgorodfahrer». In Strahlsund in der kaufmannischen Nikolauskirche befindet sich tiber den Banken der in Nowgorod tatigen Kaufleute ein holzerner Schnitzfries. Der Schnitzfries stellt die Nowgoroder dar, die nach Pelztieren jagen, Honig sammeln und diese Waren zum deutschen Hof bringen.

Die Unterkunftsbedingungen wurden für die deutschen Kaufleute in Nowgorod einerseits durch die Interessen der hanseatischen Kaufmannschaft und durch die am Hof ublichen Ordnungen bestimmt. Anderseits hingen sie von den Verhaltnissen mit den Einwohnern und Kaufleuten von Nowgorod und von den Anordnungen der nowgoroder Behorden ab. Die hanseatischen Städte strebten immer nach dem Monopolhandel mit Nowgorod, deshalb versuchten sie jegliche Konkurenz sowohl von der Seite der Nichthanseater, als auch innerhalb der hanseatischen Gesellschaft auszuschließen. So wurde z.B. die Aufenthaltsfrist in Nowgorod auf eine Saison, d.h. auf eine Winter- oder Sommerperiode begrenzt. Ausnahmsweise durften die Kaufleute in Novgorod ein Jahr lang bleiben, aber auf keinen Fall langer, sonst verlor der Kaufmann das Recht, das Kontor zu besuchen. Der Wert der einzuführenden Waren wurde auch auf maximal 1000 Mark beschrankt. Dem diese Regel verletzteden Kaufmann wurde die Ware entzogen und ging zu Hofbesitz über. Der Schuldi-ge durfte aufierdem künftig keine Waren nach Nowgorod bringen. Diese Maßnahme wurde durch die Sorge um die Beibehaltung und Gewahrleistung der stabilen Preisen auf die hanseatischen Waren bedingt. Nur in der Krisesituation, als der Hansehandel allmahlich in Verfall geriet, erlaubten die Städte, den Warenwert bis zu 1500 Marken zu erhohen.

Was die Bedingungen von nowgoroder Seite betrifft, sie wurden durch das Streben von Nowgorod bedingt, die deutschen Kaufleute unter Kontrolle zu halten und aufierdem Einkommen für die Nowgoroder zu gewahrleisten. Die Abreise der deutschen Kaufleute aus Nowgorod hing vollkommen von dem Willen der Städtbehorden ab, weil es ihnen vorgeschrieben wurde, bei der Warenbeforderung in die Hofe und zurück nur die Dienstleistungen von den novgoroder Tragern zu nutzen. Die hanseatischen Schiffe gingen außrdem nicht auf dem Wolchowfluß bis Nowgorod hinauf, sondern gingen in der Nevamündung oder bei den Stromschnellen vor Anker. Dort fand die Umschiffung der Waren auf die nowgoroder kahnformigen Schiffe statt, die von den nowgoroder Lotsen geführt wurden. Diese Regel machte es für die Nowgoroder leichter die deutschen Kaufleute in Nowgorod bei Bedarf zu verhaften, was sie auch mehrmals taten. Die Trager aus Nowgorod begannen im XV. Jahrhundert, eigenmachtig die Preise für Be- und Entladen der Waren anzusetzen, was standige Vorwtirfe und Klagen yon der hanseatischen Seite verursachte. Die deutschen Kaufleute waren auch damit unzufrieden, dass sie kein Recht hatten, selber ihre Waren zu befordern, wie es der Fall in alien hanseatischen Städten war.

Die ganze Geschichte des Handels zwischen Nowgorod und der Han-se ist von der Widersprtichlichkeit durchdrungen: einerseits liegt das große gegenseitige Interesse der beiden Seiten am Handel auf der Hand; andererseits ist die Geschichte der nowgorod-hanseatischen Beziehungen reich an fortwahrenden Konflikten; Verboten, Handel zu treiben; an den haufigen Streitereien zwischen den ausländischen Kaufleuten und den Städtbe-wohnern. In der ganzen Geschichte des nowgorod-hanseatischen Handels fehlt ein einzigste ruhige Jahrzehnt ohne gegenseitigen Anforderangen, ohne wechselseitigen Beschlagnahmen und Kaufmannsverhaftungen usw. Die hanseatischen Kaufleute schlossen die Hofe und die Kirche wahrend der großten Konflikte, nahmen alle Besitzwerte und Kontorsarchiv mit und verliessen Nowgorod. Die Nowgoroder bestrebten seinerseits, die Hanseater aufzuhalten und festzunehmen, bis die russische Forderungen befriedigt werden. Sogar die angespanntesten Auseinandersetzungen und dauerhafte Unterbrechungen im novgorod-hanseatischen Handel (z.B. Ende des XIV. Jahrhunderts, da die Partner sich 1385–1391 in dem Handelskriegzustand befanden) endeten jedoch jedes Mai mit Verhandlungen und mit der Unterzeichnung des nachsten Handelsabkommens.

Einen Schlufipunkt in den Handelsbeziehungen zwischen Nowgorod und der Hanse hat Ivan III. im Jahre 1494 gestellt. Das Hansekontor in Nowgorod wurde damals geschlossen, die hanseatischen Kaufleute mit ihren Waren wurden festgenommen und nach Moskau geschickt. Nach 20 Jahren, 1514, wurde das Hansekontor in Nowgorod wieder geoffnet. Das war aber ein anderes Kapitel, in der Geschichte der Städt Nowgorod, als auch der Hanse.